Dieses Mal geht es nicht um eine bestimmte Person oder einen bestimmten Ort. Obwohl eigentlich geht es um den wichtigsten Ort, um das wichtigste Erscheinungsbild: Das Gesicht unserer Stadt. Ich gebe es zu, ich bin nostalgisch. Alte Gebäude lassen mein Herz höher schlagen, eine schöne Fassade aus der Jahrhundertwende erhält schnell meine Aufmerksamkeit. In Mönchengladbach, besonders in Eicken, gibt es davon zahlreiche. Traurig hingegen stimmt mich ein anderer Anblick: Architektur der 1950er Jahre.
Aber nein, nicht, weil die auch als „Nachkriegsarchitektur“ bezeichneten Bauten hässlich wären. Im Gegenteil, weil ich ihrem Charme erlegen bin. Der Umgang mit diesen architektonischen Überbleibseln der Zeit ist erschreckend. Scheinbar werden sie vielerorts sich selbst überlassen, ohne nachzudenken überbaut, abgerissen oder völlig verwahrlost.
Was fasziniert mich an dieser Architektur? Und warum bin ich der Meinung, dass sie entgegen der öffentlichen Meinung schützenswert ist?
Nach dem Krieg musste Wiederaufbau geleistet werden. Mönchengladbach und Rheydt waren zu großen Teilen zerstört. Was gebaut wurde, waren jedoch keine Provisorien. Dagegen gingen die Städte schon damals vor. Neue Gebäude mussten angemeldet werden, provisorisches Bauen sollte unterbunden werden. Die 1950er Jahre sind nicht nur Jahre des Wiederaufbaus, eine Zeit in der nach den Verlusten des Krieges gedarbt wurde und eine Trostlosigkeit herrschte. Sie stehen auch für den Aufbau der neuen Bundesrepublik. Der Krieg war vorbei und die Wirtschaft begann sich zu erholen. Es waren optimistische Jahre.
In der Architektur besann man sich auf die Zeit vor 1933, auf damals neue und innovative Ansätze. Das noch heute in aller Munde liegende Bauhaus bekam einen im Prinzip postumen Ruhm. Das neue Bauen zog in die Städte ein. Fassaden wurden schlicht, materialsparend, gestaltet, jedoch ohne trist zu wirken. Die Fensterfronten wurden größer und Materialien wie Beton, Glas und Metall verwendet. Fassaden und Bodenbeläge wurden beispielsweise mit kleinen farbigen, quadratischen Fliesen belegt. Das Farbenspektrum spielte sich zwischen kontrastreichen Grundfarben, wie Blau, Rot und Gelb und pastellenen Farbtönen, wie Rosa und Hellblau ab.
Die Aufrisse der Fassaden waren klar strukturiert. Hervorspringende Balkone und überkragende Flachdächer schufen Bewegung. Balkongitter wurden teilweise fast grafisch, mit schmalen, eleganten Balustraden gestaltet, oftmals ebenfalls farbig gehalten. Ein schräg gestelltes Dach, ein Schwung in der Fassade, ein rundes Fenster lockerte die gradlinigen Strukturen auf. Fassaden wurden hell verputzt oder mit modernen und innovativen Materialien verkleidet. Messingdetails an Türen verliehen einen warmen, eleganten Touch.
Entgegen der Architektur nach 1933 bis in die 1940er Jahre, die massiv und statisch wirken sollte, waren die Bauten der 1950er Jahre von einer Leichtigkeit geprägt, die den damaligen Fortschrittsglauben und Hoffnung ausstrahlen. Heute hingegen ist dieser Charme, diese Eleganz, kaum noch sichtbar. Nur wer die Gebäude der Zeit mit einem liebevollen Blick betrachtet, erkennt ihren Wert.
Was ist es, was viele Menschen anscheinend so eine Missachtung, gar Abneigung, für dieses Gesicht der Stadt entgegen bringen lässt? Vielleicht ist es der Wunsch, die Zeit der 1950er Jahre zu verdrängen, den Krieg und den Neubeginn.
Das Haus Westland und das abgerissene Stadttheater sind traurige Beispiele wie von höherer Stelle mit den Überbleibseln dieser Zeit umgegangen wird. Wer Fotos des früheren Bahnhofvorplatzes mit dem Haus Westland und dem Jugendstilbahnhof gegenüber sieht, wird feststellen, dass auch dieses viel diskutierte und verwünschte Gebäude eine Ästhetik hatte. Gedacht war es als Gegenpol, als moderne Gegenüberstellung zu dem denkmalgeschützten Bahnhof. Es sollte zudem den Bahnhofsplatz rahmen, erst durch das Haus Westland war dieser entstanden. Der Busbahnhof mit seinen unüberblickbaren schrägen Dächern und die Mieter der Geschäfte sowie die ungepflegte, mit Vogelkot übersäte, Fassade haben dieses durchdachte Erscheinungsbild zerstört. Von Eleganz und Fortschritt keine Spur mehr.
Doch im Kleinen ist die Ästhetik dieser Zeit noch zu retten. Fassaden können gepflegt, Türen und Böden restauriert werden. Leer stehende Ladenlokale, die den Charme dieser Zeit noch beinhalten, könnten ihn wieder nach außen sichtbar versprühen.
Doch wer ist dafür verantwortlich? „Die Stadt“ mit ihrer Verwaltung, die Bürger, die die Stadt beleben? Sicherlich beide. Aber jeder kann selbst anfangen etwas zu ändern. Man kann mit seinen Nachbarn für ein gepflegtes Außenbild seines Wohnhauses sorgen, seine Vermieter auf eine Reinigung oder einen Neuanstrich ansprechen. Wenn viele mithelfen, kann die verlorene Eleganz der 1950er Jahre wieder zum Vorschein gebracht werden. Diese gehört ebenso zu Mönchengladbach, wie Gründerzeitbauten, ehemalige Fabriken und neu entstehende Shoppingtempel.
Text: Eva Uebe
Fotos: Hannah von Dahlen